Der Fall Edathy – Politkrimi mit Domino-Effekt

Der Fall Sebastian Edathy beherrscht das politische Berlin. Nachdem der SPD-Politker am 7. Februar überraschend sein Bundestagsmandat niederlegte überschlagen sich die Ereignisse. Bald wurde bekannt, dass Polizei und Staatsanwaltschaft aufgrund eines Anfangsverdachts bezüglich des Besitzes von Kinderpornografie ermitteln. Am 10. Februar durchsuchte die Staatsanwaltschaft Hannover Wohnungen und Büros des Abgeordneten. Seitdem hat der Fall weitere Kreise gezogen, die Bundespolitik aufhorchen lassen und einen Bundesminister das Amt gekostet. – Eine Chronologie.

Sebastian Edathy_SPD

Legte vor Bekanntwerden der Ermittlungen gegen ihn sein Bundestagsmandat nieder: SPD-Abgeordneter Sebastian Edathy


In einem kurzen Pressestatement auf seiner Web- und Facebook-Seite gab Sebastian Edathy die Niederlegung seines Bundestagsmandates bekannt:

 

Ich habe mich aus gesundheitlichen Gründen dazu entschieden, mein Bundestagsmandat niederzulegen. Über diese Entscheidung habe ich am Freitag, 7. Februar 2014, den Bundestagspräsidenten informiert. Der Mandatsverzicht ist damit wirksam geworden. – Sebastian Edathy

 

Der Rückzug kam überraschend, galt Edathy in Berliner Kreisen als Abgeordneter mit großen Chancen. Nicht zuletzt durch seine Rolle als Vorsitzender im Untersuchungsausschuss „Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund“ hatte sich Edathy fraktionsübergreifend Ansehen verdient. (zum Abschlussbericht (PDF))

Der Fokus verschiebt sich

Nach der Niederlegung seines Bundestagsmandates war Sebastian Edathy für Presseanfragen vorerst nicht zu erreichen. Erst am 19.02. ist auf Spiegel Online zu lesen, dass Edathy einräumt Videos von unbekleideten Jugendlichen, nicht jedoch kinderpornografisches Material gekauft zu haben. Nichtsdestotrotz: Der Fokus verschiebt sich. Die mediale Aufmerksamkeit hat sich verschoben. Im Zentrum der Berichterstattung stehen nun der zurückgetretene Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich, Vize-Kanzler Sigmar Gabriel, Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und der Chef des Bundeskriminalamtes Jörg Zierke. Die Fragen die es nun zu klären gilt: Wer wusste zu welchem Zeitpunkt über die Ermittlungen gegen Edathy Bescheid? Wer hat mit wem zu welchem Zeitpunkt über die Ermittlungen gesprochen? Und: Wurde Edathy gegebenenfalls im Vorfeld gewarnt und in wieweit hat dies die Sicherstellung von Beweisen beeinflusst?

In Berlin ist ein Politkrimi entbrannt. Es ist wohl nicht übertrieben von einer Regierungskrise zu sprechen, wohl aber von einer Staatskrise. Der Innenausschuss soll nun – unabhängig von den Ermittlungen gegen Edathy – Aufschluss über die Rollen der anderen Beteiligten bringen.

Die wichtigsten Ereignisse seit Edathys Mandatsniederlegung haben wir in einer Chronologie zusammengefasst. Eine Übersicht über die wichtigsten Statements der Beteiligten sind hier zusammengefasst.

 

Chronologie des Fall Edathy: 

  • 7. Februar 2014: Edathy legt sein Bundestagsmandat nieder
  • 10. Februar 2014: Staatsanwaltschaft Hannover durchsucht Wohn- und Büroräume Edathys
  • 11. Februar 2014: Statement des SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann:

    Die geäußerten Vorwürfe gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wiegen ungeheuer schwer (…) Ich habe mit Herrn Edathy keinen Kontakt wegen diesen Ermittlungen gehabt.

  • 13. Februar 2014: SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann gibt zu, gemeinsam mit der SPD-Spitze seit Oktober 2013 von dem Verdacht gegen Edathy gewusst zu haben. Der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) habe SPD-Gabriel informiert.
  • 14. Februar 2014: Hans-Peter Friedrich (CSU), mittlerweile Bundeslandwirtschaftsminister, tritt zurück. Nicht ohne die „politische und rechtliche“ Korrektheit seines Handelns zu betonen. Vermutlich wurde Friedrich der Rücktritt durch die Kanzlerin nahegelegt.
  • 17. Februar 2014: Christian Schmidt (CSU), zuvor Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, tritt Friedrichs Nachfolge an.
  • 17. Februar 2014: Pressekonferenz der SPD. Vize-Kanzler Sigmar Gabriel darin:

    Sebastian Edathy hat eingeräumt Bildmaterial bei einem kanadischen Unternehmen bezogen zu haben. Offenbar handelt es sich dabei um Bilder unbekleideter Jugendlicher. Unabhängig, ich wiederhole: unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz sind Präsidium und SPD-Parteivorstand entsetzt und fassungslos über diese Handlungen und über das Verhalten Sebastian Edathys.

  • Präsidium und Parteivorstand der SPD bedauern zugleich den Rücktritt von Bundesminister Hans-Peter Friedrich. Für uns steht fest, dass Hans-Peter Friedrich nach bestem Wissen und Gewissen eine Ermessensentscheidung getroffen hat und Schaden verhindern wollte. Die Entscheidung von Hans-Peter Friedrich, mich über den damals bekannten Zusammenhang zwischen den Ermittlungen in Kanada und Sebastian Edathy zu informieren, war nach meiner Überzeugung auch politisch plausibel und vertretbar.

  • 17. Februar 2014: SPD-Chef Gabriel versichert auf der Pressekonferenz außerdem, dass weder Thomas Opperman, noch Frank-Walter Steinmeier, noch er selbst den den Fall öffentlich gemacht oder Edathy gewarnt hätten.
  • 18. Februar 2014: DIE WELT berichtet, Edathy sei über Verdächtigungen gegen ihn informiert gewesen.
  • 18. Februar 2014: Spiegel Online meldet, dass die Justiz Vorermittlungen gegen Friedrich wegen des Verdachts aus Geheimnisverrates einleitet.
  • 18. Februar 2014: Es herrscht Ungewissheit um den Dienstlaptop Edathys. Dieser konnte bei den Durchsuchungen nicht sichergestellt werden. Spielgel Online meldet, dass dieser Ende Januar bei einer Fahrt von Hannover nach Amsterdam abhanden gekommen sein soll.
  • Das 18. Februar 2014: Das Amtsgericht Hannover ordnet die Durchsuchung des ehemaligen Abgeordnetenbüros Edathys an.
  • 19. Februar 2014: Edathy räumt ein, Videos von unbekleideten Jugendlichen, nicht jedoch kinderpornografisches Material gekauft zu haben.
  • 19. Februar 2014: SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nach seinem Auftritt im Innensausschuss zum Friedrich-Rücktritt: „Mir tut es aufrichtig leid.
  • 20. Februar 2014: Bündnis 90/Die Grünen beantragen Sondersitzung des Innenausschusses

 

Bildnachweis:

Illustration und Artikelbild: Sebastian Edathy, edathy.de

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