Merkel sendet deutliches Signal nach Kiew: EM 2012 wird zum Politikum

Kurz vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine scheinen sich alle Sorgen und Ängste zu bewahrheiten. Im besonderen Fokus steht hierbei die Ukraine mit ihrem umstrittenen Machthaber Janukowitsch, der inhaftieren Oppositionellen Timoschenko und zuletzt wegen der Bombenanschlagsserie vor wenigen Tagen. Für die Kanzlerin wird die EM mittlerweile zum Balanceakt.

Ihre Worte haben international Gewicht und sind für die europäischen Partner von besonderer Bedeutung – dessen ist sich Angela Merkel bewusst. Die Entscheidung, ihren Ministern für den Fall einer weiteren Inhaftierung Julia Timoschenkos zu raten, der EM fernzubeleben, dürfte daher mit Sicherheit nicht unüberlegt oder vorschnell gefallen sein. Dies auch entsprechend in den Medien zu kommunizieren, dürfte also international richtungsweisend sein. Das ukrainische Außenministerium erkannte die Gefahr eines Domino-Effekts und reagierte promt. Der Machthaber in Kiew schießt scharf und nennt Merkels Andeutung eines EM-Boykotts „Methoden des Kalten Krieges“. Für ein Gastgeberland einer sportlichen Großveranstaltung wie der Fußball-Europameisterschaft in jeder Hinsicht ein sehr deutliches Überspringen jeglicher Diplomatie.

Angela Merkel und Julia Timoschenko beim EPP Summit im März 2011

Angela Merkel und Julia Timoschenko beim EPP Summit im März 2011 (Foto/Artikelbild: European People's Party (EPP))

Die Worte der Kanzlerin indes zeigen Wirkung in Europa: Die Präsidenten von Österreich und Tschechien, Heinz Fischer und Václav Klaus, sowie der EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagten geplante Besuche in Kiew ab. Bundespräsident Joachim Gauck hatte bereits einige Tage vor der Kanzlerin eine Reise in die Ukraine aufgrund der Haftbedingungen von Julia Timoschenko und Kritik an der Pressefreiheit in dem osteuropäischen Land abgesagt.

Nach den Meldungen der letzten Tage musste die Kanzlerin nun handeln. Als „Fußball-Kanzlerin“ vielleicht in mehrfacher Hinsicht keine leichte Entscheidung. Bei zahlreichen Spielen der Nationalmannschaft war sie dabei und bangte gemeinsam mit den Fans im Stadium um den Sieg. Nun stärkt auch Bayern-Präsident Uli Hoeneß der Kanzlerin den Rücken und ruft die Spieler zum Protest bei der EM auf.

Spätestens mit den Bombenanschlägen vor wenigen Tagen ist deutlich geworden wie viel Spannung in der Ukraine in der Luft liegt. Sollte die EM wie geplant mit dem Partner Polen stattfinden, so werden verschiedene Gruppen die Weltöffentlichkeit nutzen, um auf die Inhaftierung Timoschenkos und die Unterdrückung einer Opposition sowie die Situation der Pressefreiheit aufmerksam zu machen.

Es ist weiterhin wahrscheinlich, dass friedliche politische Gruppen die EM nutzen werden um auf weitere Missstände in der Ukraine aufmerksam zu machen. Bereits seit einigen Jahren ist die feministische Agitprop-Gruppe FEMEN auf der Straße und im Netz aktiv. Bereits im Vorfeld haben sie für eine „Euro 2012 Without Prostitution“, eine EM ohne Prostitution demonstriert und werden wohl auch während der EM weiter in Erscheinung treten.

Eine endgültige Absage oder einen Boykotts gibt es bislang weder auf politischer, noch auf sportlicher Ebene. Jedoch wurden erste Zeichen nach Kiew gesandt, welche mit entsprechenden Reaktionen quittiert wurden. In knapp einem Monat soll die EM 2012 beginnen und der Hungerstreik in den Oppositionsführerin Julia Timoschenko getreten ist, wird den Themen in den nächsten Tagen noch einmal zusätzliche Brisanz verleihen und wohl auch die Kanzlerin dazu bewegen noch einmal deutlichere Worte an den ukrainischen Präsidenten zu richten.

 

WICHTIG: Für das Bundestagsradar suche ich Muttersprachler/innen aus der Ukraine um einen genaueren Blick auf die dortige Berichterstattung zur EM 2012 zu werfen. (Kontakt bitte über die Facebook-Seite oder das Kontaktformular des Blogs.)

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.