Auch wenn es schwer fällt den Blick von den Geschehnissen in Berlin abzuwenden, wo Karl-Theodor zu Guttenberg heute seinen Rücktritt bekannt gegeben hat, so soll doch nach Sachsen-Anhalt geblickt werden. Auf einer der Wahlkampf-Webseiten der Landes-SPD hat sich etwas zusammengebraut.
Eine schwarze Tag-Cloud-Gewitterfront rotiert, unter ihr ergießt sich ein Stichwort-Regen, der es in sich hat. Ein kleiner Button, der ein PDF-Dokument zum Wahlprogramm der sozialdemokratischen Landesgruppe verspricht, geht vollkommen unter. Eine Wahlkampf-Seite aus einer anderen Zeit: grell, überladen und nahezu unmöglich zu bedienen. Was ist da geschehen?
Ohne Zweifel: Das Link-Ungetüm auf einer der Wahlseiten enthält vermutlich alle Stichworte zu den relevanten Themen in Sachsen-Anhalt. Allein die Gestaltung und Handhabe der Seite ist selbst bei flüchtiger Betrachtung eine Katastrophe. Der Slogan „Klare Ziele. Sichere Wege“ führt sich auf dieser Webpräsenz selbst ad absurdum.
Für die (angedachte) politische Kommunikation stellt sich die Frage, wie sich die Partei bzw. die beauftragte Agentur den typischen Besucher der SPD-Seite vorstellt. Offenbar ist dieser bereits bestens informiert, weiß wonach er sucht und ist mit der Schlagwort-Systematik im Netz so vertraut, dass er sich aus der reichhaltigen Agenda vollkommen selbstständig für sich wahlentscheidende Themen zusammenstellt. Damit haben die Macher nicht nur die Vorteile des Web 2.0 verkannt – in dem es die herausragende „Dienstleistung“ ist, dass Inhalte (auch von Nutzern für Nutzer) verknüpft und in Relation gestellt werden – sie haben auch dem Profil des Bundeslandes zu wenig Beachtung geschenkt. Die Zielgruppe in Sachsen-Anhalt ist in zweierlei Hinsicht eine Herausforderung:
- Onliner-Quote 2010: 62,9 Prozent (Nur Mecklenburg.Vorpommern hat weniger)
- Wahlbeteiligung 2002: 56,5 Prozent
- Wahlbeteiligung 2006: 44,4 Prozent
Ein geringes Interesse für die Politik in Kombination mit einer niedrigen Onliner-Quote (Bundesdurchschnitt 2010: 72 Prozent). Warum also wird der User auf der Webseite der Sozialdemokraten nicht angemessen an die Hand genommen? Der Interessierte verliert angesichts einer solchen unübersichtlichen „Stichwortwolken-Gewitterfront“ vermutlich jede Lust sich dort hindurch zu arbeiten. Selbst der „digital native“, der Netz- und Web 2.0-Kenner, für den auch ein umfangreicher Verlinkungs-Apparat eher Chance als Hindernis ist, muss sich an dieser Stelle fragen, ob er auf den Arm genommen wird.
Die Aussage ist: Sucht Euch was raus!
Die Wahlbeteiligung in Sachsen-Anhalt ist gering. Und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Landes-SPD auf der Wahlkampfseite als Reaktion darauf ein mächtiges Agenda-Füllhorn über seine Bürger entleert. Leider ist es aber genau das nicht. Ein solch unübersichtlicher Aufbau schickt die User zurück ins „Web 1.0“ – die Message: Alles ist da, sucht Euch selbst was raus. Natürlich verbergen sich hinter den unzähligen verlinkten Schlagworten der SPD-Seite weitere Informationen und auch die Haltung der Sozialdemokraten zum jeweiligen Thema, doch gilt hier für die politische Kommunikation im Speziellen die gleiche Regel wie für das Netz im Allgemeinen: Gelesen wird, was (schnell) gefunden wird. Oder als Volksweise: Wer suchet, der findet. Aber nur vielleicht.
(Artikelbild: „Aussichtslos?“ © Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de)
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2 Kommentare
Überhaupt wird der Wahlkampf in Sachsen-Anhalt nur bedingt im Web geführt. Und das nicht nur bei der SPD. Dieser Umstand betrifft beinahe alle Parteien (ausgenommen vielleicht die FDP, die Piraten und mit Abstrichen die Grünen). Gerade die Angebote der beiden koalierenden Parteien sind mau, vermitteln eher den Eindruck das Internet nutzen zu müssen, „weil man das heute so macht.“
Dazu passt auch die Aussage Bullerjahns, dass in etwa zehn Jahren die Kommunikation im Internet wohl zum politischen Alltag gehören werde (http://www.news.de/politik/855129137/bei-facebook-und-co-auf-stimmenfang/1/). In, man höre und staune, zehn(!) Jahren! Da fragt man sich doch: Wie sehen Politiker – in diesem Fall Bullerjahn – die Rolle des Internets? Wünschte er sich nicht vor der Wahl noch einen „Mitmach-Wahlkampf“ – http://www.bullerjahn2011.de/2009/12/17/mitmach-wahlkampf/. Ist wohl nur die Frage, wie man ihn definiert!?
Überhaupt vermittelt der Wahlkampf in LSA eher den Eindruck, das Internet sei mehr bedrohlich, als dass es dem Austausch mit den Bürgern nütze. Verfolgt man Bullerjahns Facebook-Meldungen, so sieht man, dass hier noch die klassische „One-to-Many“-Kommunikation gepflegt wird. Informationen absetzen – reagieren? Nein danke. Damit wird das Potenzial des Internets zur Kommunikation verspielt. Und Bullerjahn ist da bei weitem nicht der Einzige, sondern fast noch der Aktivste und Beste. Und das sagt schon einiges.
Auch die Verhinderung des Wahl-O-Maten durch das Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung (das sich ja aus Landtagsabgeordneten zusammensetzt) spricht eine deutliche Sprache. Die Sprache der Angst. Denn wenn zusätzlich auch auf gut recherchierte Informationsangebote im Netz verzichtet wird, dann gibt es ja immer noch die NPD, die überfleißg twittert, facebookt, plakatiert und eine jugendgerechte Sprache spricht. Keine schöne Realität in Sachsen-Anhalt.
Autor
Hallo,
vielen Dank für Deinen Kommentar – den ersten im neuen Blog. 🙂
Es ist auch mein Eindruck, dass die Instrumente des Online-Wahlkampfes in Sachsen-Anhalt noch viel zu selten und wenn etwas zu unüberlegt eingesetzt werden. Schlimm wird es, wenn dem Angebot die Unwissenheit der Autoren anzusehen ist.
In Schleswig-Holstein hat Regierungssprecher Knut Peters (CDU) nun seine Kollegen zum Web-2.0-Seminar verdonnert. Vielleicht hilft´s.
Wie junge Medienschaffende die Landtagswahl aufgreifen und den Kandidaten webtechnisch auf den Zahn fühlen, zeigt das interessante Projekt Programmlatz 40